Ein Viertel der letzten Saison des aktuellen Motorenreglements ist vorbei. Und ich habe mich dazu entschieden, nach jedem Viertel einen Blick zurück und vor allem nach vorn zu werfen.
Wie erwartet hat McLaren genau da weitergemacht, wo sie letztes Jahr aufgehört haben und Max Verstappen fährt trotz dem schlechteren Auto vorne mit, konnte inklusive Sprints sogar einen Sieg und drei weitere Podiumsplatzierungen verbuchen. Und dahinter? Irgendwie alles wie erwartet. Mit der Ausnahme von Alonso, der als einziger Nicht-Rookie noch ohne Punkt ist.
Schon vor der Saison wurde gemutmaßt, dass Jack Doohan nicht lange im Alpine sitzen wird. Jetzt steigern sich die Gerüchte, erste Meldungen gibt es bereits, dass demnächst Ersatzfahrer Franco Colapinto sein Cockpit übernehmen wird. (Anm. Wurde bereits bestätigt.) Es wäre der zweite Tausch in dieser noch jungen Saison, nachdem Liam Lawson und Yuki Tsunoda bereits die Teams getauscht haben. Schon letztes Jahr war ich der Meinung, dass man Lawson zu früh in den Red Bull gesetzt hatte. Nach nur drei Rennen, auf Strecken die er noch nicht kannte, war dann schon Schluss. Ebenfalls zu früh, auch wenn Tsunoda wesentlich besser im Red Bull klar kommt. Jetzt hat man einen gebrochenen Rookie, der es schwer hat, sich davon frei zu machen.
Lewis Hamilton kommt wohl nur im Sprint mit seinem Ferrari klar, während sein Teamkollege regelmäßig vor ihm ins Ziel kommt. Man merkt Lewis an, dass er absolut unzufrieden ist und Gerüchte machen sich breit, dass er bald schon gehen könnte. So wie ich den siebenfachen Weltmeister einschätze, ist dies aber keine Option für ihn. Natürlich will er vorne mitfahren und auch siegen, aber er weiß auch, dass es neue Umstände für ihn sind und auch, dass 2026 die Karten neu gemischt werden.
Bei Mercedes reibt man sich aber sicherlich die Hände, denn Kimi Antonelli überzeugt und Russell fuhr 4 Podien in den Hauptrennen ein. Der junge Italiener wurde nicht nur der jüngste Fahrer, der ein Rennen anführte, sondern auch der jüngste Polesetter und fuhr dabei mal eben einen neuen Streckenrekord, der zwar nur einen Tag später von Max Verstappen wieder kassiert wurde, aber die Leistung muss man trotzdem anerkennen. Mercedes wird die zweite Kraft in dieser Saison sein, so wie es die derzeitige Konstrukteurstabelle auch angibt. Der Red Bull hat nur eine Chance, wenn der Fahrer Verstappen heißt, dafür darf man ihn aber auch nie abschreiben, ich bin überzeugt, dass er noch für die eine oder andere Überraschung gut sein wird.
Titelverteidiger McLaren hat mit mehren Doppelsiegen in Sprint und Hauptrennen und einigen weiteren Podien in den ersten sechs Veranstaltungen seine Favoritenrolle klar gezeigt. Nur ein Sprint und ein Hauptrennen ging nicht an Papaya und teamintern droht Oscar Piastri seinen Kollegen Lando Norris vom Platz zu fegen. Vier von sechs Rennen zu gewinnen und, mit Ausnahme von Australien, immer aufs Podium zu kommen. Und in Australien wissen wir ja, wo er lag, als er sich einen Fehler leistete. Seit dem scheint er aber fehlerfrei unterwegs zu sein. Und Norris scheint Selbstvertrauen verloren zu haben. Nach dem großartigen Auftakt kam er immer mehr ins Strudeln, Höhepunkt war sein Crash im Q3 in Jeddah. Und in Miami hat er seine große Schwäche deutlich gezeigt. Er ist einfach zu nett im Zweikampf.
Wenn wir über den GOAT der Formel 1 reden, dann fallen grundsätzlich Namen wie Senna, Schumacher, Hamilton und eben Verstappen. Alle dieser Fahrer haben eine Gemeinsamkeit: Sie waren nicht immer fair in den Zweikämpfen. Und genau das kann den Ausschlag geben. Natürlich kann man auch lieb und nett einen Titel holen, das kommt immer wieder mal vor. Aber gerade jetzt, wo die Autos so dicht beieinander sind, wird es schwieriger. Norris leistet sich zu viele Fehler, einer davon ist ein zögerliches Verhalten im Zweikampf. In Miami haben wir es gut gesehen, er steckte etliche Runden hinter Verstappen fest, weil er kein Risiko eingehen wollte. Währenddessen konnte Piastri vorne wegziehen. Als er endlich vorbei war, waren die Siegchancen hin. Aber die Weltmeisterschaft ist ein Marathon, wie immer wieder gesagt wird. Wir haben erst ein Viertel hinter uns, es sind noch alle Chancen offen. Und Lando weiß auch, dass nicht Max sein Rivale ist, sondern eben Oscar. Einen Crash riskieren und am Ende eventuell ohne Punkte heimgehen? Oder lieber weniger Punkte mitnehmen und den Abstand nicht zu groß werden lassen?
Ich sehe Parallelen zu Mercedes, zu Beginn ihrer dominanten Jahre. Waren Rosberg und Hamilton 2014 relativ auf Augenhöhe unterwegs, die Entscheidung fiel bekanntlich erst im letzten Rennen, war es 2015 deutlicher für Hamilton. Rosberg zog in Zweikämpfen mit Hamilton oft zurück und ging dem Briten aus dem Weg. Erst als er kaltschnäuziger und aggressiver wurde – also nicht immer ganz fair unterwegs – konnte er sich den Titel auch holen. Dabei muss man nicht unbedingt die Regeln hart dehnen und Strafen riskieren, es reicht eben eine gewisse Abgebrühtheit. Diese scheint sein Titelrivale aus dem gleichen Team zu besitzen, schon im letzten Jahr ging er in Monza ohne Rücksicht auf Verluste an Norris vorbei.
Wenn Norris in diesem Jahr noch den Titel holen will, dann muss er genau daran arbeiten. Die Chance ist in diesem Jahr da – und McLaren muss aufpassen, dass nicht am Ende ein dritter Fahrer wie 2007 den Titel unverhofft abräumt. Bei den Konstrukteuren wird der Titel aber wohl wieder nach Woking gehen.